Finale
Guten Tag alle
miteinander,
ich schaffe es nun
endlich wieder, einen letzten Blogeintrag hier in Indien zu
verfassen.
In den letzten zwei
Wochen war ganz schön viel los und zwischendurch hat auch noch das
Internet gestreikt. Gerade geht es, wenn auch nur sehr gemächlich....ich denke, es liegt am Regen. Außerdem hatte ich meine erste, indische
Erkältung, die doch ein bisschen länger angedauert hat, als ich
davor erwartet hätte und mich an mein Bett fesselte.
Nun bin ich also nur
noch wenige Tage hier in Shevgaon und bald geht es für mich dann in
den Süden Indiens. Dort werde ich dann noch knappe vier Wochen
umherreisen, bevor es für mich kurz vor Weihnachten wieder nach
Deutschland geht.
Aber zuerst kann ich
euch ja noch ein bisschen erzählen, was in den letzten Wochen
passiert ist.
Nachdem ich eine
Woche im Social Department geholfen habe, ging es für mich dann auf
die Wochenbettstation: Ward 3. Ich, als examinierte Hebamme, konnte
dort nicht wirklich viel helfen, was auch damit zusammenhängt, dass
das Personal dort ausschließlich Marathi spricht und die
Verständigung darum sehr schwierig war. Trotzdem war es aber
interessant, den ganz normalen Stationsalltag zu beobachten. Bis
dahin war ich ja nur im Kreißsaal und da Babys rund um die Uhr zur
Welt kommen, gibt es einen wirklichen „Alltag“ dort fast nicht.
Der tägliche Ablauf
auf Station ist eigentlich sehr klassisch: Morgens werden alle Frauen
„durchgemessen“, es wird nach der Heilung eventueller
Geburtsverletzungen geschaut, Infusionen und Medikamente werden
verteilt und alle Babys werden von den Schwestern gewaschen. Die
Frauen bleiben nach einer normalen Spontangeburt meistens drei Tage
im Krankenhaus und werden in dieser Zeit von ihren Angehörigen
gehegt und gepflegt. Neben einem Laken stellt das Krankenhaus nichts,
sodass sowohl Bettzeug, als auch Verpflegung, von den Familien in
Krankenhaus gebracht werden. Das ergibt eine herrlich trubelige,
bunte, gut riechende Mischung.
Es ist auf jeden
Fall immer wieder erstaunlich, wie viel die Schwestern und Ärzte
hier mit dem zur Verfügung stehenden Material erreichen. Not macht
erfinderisch und darum gibt es einige Ideen, die ich auf jeden Fall
mit nach Deutschland nehmen werde.
In der
darauffolgenden Woche war ich dann in Pathardi. Es wurde schon in
einem anderen Blogeintrag von einer Freiwilligen beschrieben: Das
Krankenhaus in Pathardi ist mehr so, wie ein Geburtshaus bei uns. Es wird
geleitet von Sister Augustina, die Ärztin und auch Nonne ist und mit
drei anderen Schwestern gemeinsam in Pathardi lebt. Neben dem
Krankenhaus gibt es auch noch eine Kirche, ein Mädchenwohnheim und
ein Jungenwohnheim. Die Kinder waren gerade nicht da, weil sie Ferien
hatten. Darum war alles sehr, sehr ruhig. Das Kloster in Pathardi ist
sowieso sehr ruhig gelegen und ein sehr friedvoller Ort. Jährlich
kommen hier ungefähr 3000 Kinder zur Welt. Jede Frau, die mit Wehen
vor der Tür steht, wird sehr ausführlich untersucht. Dann wird
entschieden, ob sie ihr Kind in Pathardi bekommen kann. Denn es gibt
keine Möglichkeit, einen Kaiserschnitt zu machen, sodass im Notfall
nur eine Verlegung in Frage kommt. Die meisten Frauen dürfen aber
bleiben und sind darum sehr froh. Sie kommen teilweise von sehr weit
entfernten Dörfern und machen sich schon einige Tage vor dem
errechneten Geburtstermin auf den Weg, um nicht zu spät zu kommen.
Die Preise für eine Geburt sind in Pathardi sehr gering und außerdem
hat die Arbeit von Sister Augustina regional einen überaus guten
Ruf. Wenn die Geburt noch ein wenig auf sich warten lässt, schlafen
die Frauen ein paar Tage vor dem Krankenhaus. Extra dafür wurde eine
Art Riesencarport errichtet, damit die wartenden Familien ein Dach
über dem Kopf haben. Außerdem stehen Toiletten und Trinkwasser zur
Verfügung. Bei so vielen Menschen, ist vor dem Krankenhaus immer was
los: Irgendwer kocht immer Irgendwas, die Kinder spielen und es wird
sehr viel geredet und gelacht. Eine sehr schöne Stimmung!
Auch für mich als
Hebamme war die Zeit in Pathardi wirklich toll. Ich konnte sehr, sehr
viel sehen, lernen und wirklich helfen. Tag und Nacht hat Sister
Augustina mich gerufen, wenn es einen spannenden Fall im Kreißsaal
gab. Und zwischendurch war ich auch im Kreißsaal, habe in meinem
Zimmer gelesen oder Spaziergänge gemacht.
Wenn also jemand von
euch Hebamme ist und darüber nachdenkt, nach Shevgaon zu kommen: Ihr
müsst UNBEDINGT nach Pathardi! Für Hebammen ist das paradiesisch.
An den letzten Tagen
arbeite ich nicht mehr im Krankenhaus. Ich werde noch sehr
viel mit den unterschiedlichsten Leuten reden, um mehr über das
Thema meiner Bachelorarbeit zu erfahren (ganz grob: Bedeutung und
Folgen der Geburt eines Mädchens). Außerdem packe ich meine Sachen,
organisiere Dies und Das und genieße manche Dinge ganz besonders
aufmerksam, da ich sie ja vielleicht das letzte Mal sehe!
Krass! Jetzt ist
eine Zeit hier wirklich schon rum. Es fühlt sich ganz und gar nicht
so an, als wäre ich insgesamt drei Monate hier gewesen. Die Zeit ist
so schnell vergangen! Es gab für mich soviel zu sehen, zu entdecken
und zu erkunden, dass ich wohl noch ein paar Monate brauche, eh ich
das alles wirklich verstanden habe. Aber es war toll! Die Zeit hier
mit den Nonnen, die Ausflüge, die Arbeit im Krankenhaus, das Essen,
die Freundlichkeit der Menschen… Die Dinge, die ich in meinen
Einträgen beschrieben und erwähnt habe, stellen nur gefühlte 5%
(...sorry...) meiner wirklichen Erlebnisse hier dar. Und ich kann
darum jedem nur empfehlen, es mir gleich zu tun. Es gibt, glaube ich,
nur zwei Dinge, die für einen tollen Aufenthalt hier, vorhanden sein
müssen: 1. Die (wirkliche) Lust darauf, etwas ganz Neues und
Besonderes zu erleben. 2. Die (wirkliche) Offenheit für Dinge, die
ganz anders laufen werden, als man es sich je zu träumen gewagt
hätte.
Indien ist ein
tolles, wahnsinniges Land! Es hat mich verzaubert und ich plane
schon, wann ich das nächste Mal herkomme….nach Indien, Shevgaon
und Pathardi. Darum gehe ich mit einem lachenden und einem weinenden
Auge. Einerseits liegt vor mir nun eine lange Reise, in der ich noch
ganz andere Dinge sehen und erleben werde, bevor ich im Dezember dann
endlich meine Familie wiedersehe. Andererseits war die Zeit hier aber
wirklich einmalig schön und hat mich als Hebamme und als Mensch ein
bisschen verändert... im positiven Sinne.
Als letztes möchte
ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Helfern von INGEAR
e.V. bedanken, die mir diese tolle Zeit hier ermöglicht habe. Danke!
Danke! Danke!
Eure Sophie
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