Donnertag, 14.- Montag, 25.März

Ich bin jetzt schon einen Monat in Indien. Zur Feier des Tages habe ich gestern Kekse gebacken und bei der abendlichen Runde im Gemeinschaftsraum Eis ausgeben. In Anbetracht des Wetters hier ist das hier immer eine gerngesehene Erfrischung, Süßigkeiten kommen ganz allgemein sehr gut an. Die "Siesta" am Nachmittag ist gut investierte Zeit, denn es wird zunehmend heißer. Es gibt hier kein Thermometer, dank einer kleinen Internetrecherche weiß ich nun jedoch, dass die Temperatur zwischen 36 und 38 Grad Celsius schwankt.

In der letzten Woche hatten wir Besuch aus Deutschland. Im Missionsärztlichen Institut Würzburg wird es bald einen bedeutenden Personalwechsel geben. Karl Heinz Rothenbücher tritt zurück und hat nun zur "Übergabe" gemeinsam mit seinem Nachfolger Michael Kuhnert das Nityaseva Hospital besucht. In dieser Woche gab es deswegen außergewöhnlich viel Programm. So habe ich ein weiteres mal das Watershed Projekt und noch so manch anderen interessanten Ort besucht, in den es einen als Tourist sonst nicht verschlägt. So besichtigen wir eine Granatapfelplantage , sind bei einem Obstbauern zum Tee eingeladen und besuchen eine kleine Schule.
Sister Franziska liefert immer wieder Erklärungen und Details, die nur jemand kennt, der sich wirklich intensiv mit den Dorfbewohnern und ihren Anliegen auseinandersetzt. Am selben Tag fahren wir auch noch nach Pathardi. Die Kleinstadt ist etwa 25 Kilometer von Shevgaon entfernt. Das Krankenhaus unterhält hier eine Art gynäkologische Zweigstelle mit einem großen Kreißsaal. Im angrenzenden Konvent leben zurzeit nur vier Schwestern. Gemeinsam mit ihnen essen wir zu mittag und machen uns nach einem Besuch des Marktes auf den Heimweg. Am Abend betrachte ich meine Fotos und bin überrascht, wie viel man an einem einzigen Tag schaffen kann.

Als die Besucher aus Deutschland abreisen begleite ich sie mit den Schwestern zum Flughafen ins fünf Stunden entfernte Pune. Für mich war die anschließende Einkaufstour eine willkommene Abwechslung zum doch sehr kleinen Shevgaon. Nach vier Wochen fühlt es sich fast ein wenig merkwürdig an, in einem klimatisierten Supermarkt einzukaufen. Im Kühlregal stolper ich über deutsche Schlagsahne.

Insgesamt wurden die Gäste aus Deutschland außerordentlich herzlich aufgenommen. Zum Abschied wurde das gesamte Krankenhauspersonal zu einer Teaparty eingeladen und auch an Tanzeinlagen hat es nicht gefehlt. Gastfreundschaft ist in der indischen Kultur noch weitaus tiefer verankert als bei uns in Deutschland. Als ich mich mit einer Schwester über dieses Thema unterhalte bestätigt sich dieser Eindruck weiter. Sie verwendet immer wieder den Vergleich des Gastes mit einem Gott, in dieses Bild fügen sich die Blumenketten und Geschenke gut ein.

Meine Zeit im Nursery Ward neigt sich langsam dem Ende zu. Ich habe in den vergangenen Wochen auf der Station viel erlebt und bin besonders den Schwestern, die mir so viel erklärt haben sehr dankbar. Es war eine gute Erfahrung, mit der Zeit immer mehr Aufgaben übernehmen zu können und wenn ich bedenke, wie fremd mir am Anfang noch alles war, fühle ich mich jetzt soweit eingearbeitet, dass ich den Schwestern auf jeden Fall eine kleine Hilfe bin. Was ich hier gelernt habe wird mir in meiner Ausbildung zur Hebamme mit Sicherheit von Nutzen sein - auch wenn die Arbeitsweisen in vielerlei Hinsicht sehr unterschiedlich sind. Das ein- oder andere Mal konnte ich auch anwenden, was ich aus meinem Praktikum in Deutschland "mitgenommen" habe. Trotz kleiner Verständigungsprobleme gab es viele schöne Momente. So habe ich mich heute darüber gefreut, dass sich eine Familie aus Pune ganz herzlich von mir verabschiedet hat. An deren Beispiel sieht man auch, was die Patienten für Entfernungen auf sich nehmen, um zum Nityaseva Hospital zu kommen. Es bietet wirklich eine Behandlung, die sich zwar finanziell, nicht aber im Hinblick auf die Qualität von anderen, meist privaten Krankenhäusern unterscheidet.

Nach einem kleinen Urlaub in Goa geht es für mich am 10. April im Delivery Room, also im Kreißsaal weiter. Dort werde ich die zweite Hälfte meines Praktikums absolvieren. Am Sonntag habe ich mich auf den Weg gemacht um ein paar Besorgungen zu machen. Noch eh ich mich umsehen konnte stand ich aber schon mit im OP und habe zwei Kaiserschnitte angeguckt - wie es aussieht werde ich auch dazu werde ich in den nächsten Wochen noch einige Gelegenheiten haben.

Auch wenn ich bis jetzt die meiste Zeit im Nursery Ward verbracht habe, habe ich  schon die meisten anderen Stationen kennengelernt, aufgrund der Nähe zum Nursery Ward vor allem die Intensivstation. Neben Patienen mit Schlangenbiss liegen dort erschütternd viele "Poisoning" Fälle, also Patienten die sich selbst vergiftet haben. Die häufigsten Gründe dafür sind Armut, Hunger und fehlende Bildung und familiäre Auseinandersetzungen, welche in gegenseitiger Wechselwirkung zu viele Menschen zu solch einer Verzweiflungstat bewegen. Gerade in solchen Situationen helfen mir die Erklärungen der Schwestern und Ärzte dabei, mir ein Bild zu machen.

Mit meinen Marathikenntissen geht es etwas voran, zusammen mit Glory bereite ich einen kleinen Sketch vor, mit dem wir die Schwestern an unserem zumindest kleinen Fortschritt teilhaben lassen möchten. Mittlerweile kann ich mich ein wenig mit den Patienten unterhalten und auch zur Freude des Küchenpersonals kommen immer mehr Wörter dazu. Ich werde am Ende meines Aufenthalts bestimmt imstande sein, mich vorzustellen, Einkäufe zu erledigen und mitzuteilen, was ich brauche. Ein paar kleine Dialoge klappen auch. Viel mehr wird es wahrscheinlich trotzdem nicht werden. Dennoch macht es mir Spaß, vor allem wenn ich merke, wie sich die Leute freuen wenn ich mich für ihre Sprache interessiere.

Viele Grüße aus Indien!
Rieke









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