Willkommen in Indien!


Namaste!
 
Ich melde mich das erste mal aus Indien! Ich bin jetzt seit neun Tagen hier und habe in dieser Zeit schon viel erlebt. Ich wurde überaus herzlich am Nityaseva Krankenhaus aufgenommen. Aufgrund eines kleinen Internetproblems, welches ich hoffentlich bald gelöst habe, erscheint jetzt eine Zusammenfassung über das, was ich bis jetzt erlebt habe. Ich hoffe, dass ich mit der Zeit einen passenden Erzählstil für diesen Blog finde und wünsche allen viel Spaß beim lesen!

 
Montag, 25. Februar

Nach einem langen Flug über Istanbul und Mumbai bin ich endlich in Aurangabad angekommen und werde schon am Flughafen erwartet. Die Anspannung, die bestimmt jeden in solch einer Situationen begleitet verfliegt schnell, als ich Sister Anne kennenlerne. Zu meiner Freude sind auch zwei Praktikantinnen aus Deutschland, Dorothee und Lucia mit dabei. Zum Willkommen gibt es gleich am Flughafen den ersten Chai. Bei gefühlten dreißig Grad ist Tee nicht das erste woran man denkt, aber er schmeckt hervorragend. Die Fahrt nach Shevgaon dauert etwa zwei Stunden. Die Zeit vergeht allerdings sehr schnell, da es auf der Straße viel zu sehen gibt. Zum Beispiel zahlreiche Ochsenkarren, die Zuckerrohr transportieren. Als wir am Krankenhaus ankommen richte ich mein Zimmer ein, gleich danach  findet schon das gemeinsame Abendessen statt. Ich lerne die ersten Schwestern kennen und hoffe, dass ich mir ganz schnell all ihre Namen merken kann. Meine versagende Stimme * hindert mich daran, mich ausführlich vorzustellen, aber dazu werde ich in den nächsten Tagen noch viele Gelegenheiten haben. Insgesamt fühle ich mich an diesem ersten Abend ganz herzlich aufgenommen. Ich bin von der Reise recht müde und gehe  früh in mein Zimmer, um ein wenig Schlaf nachzuholen.

* ... warum herrschen in Flugzeugen  nachts so arktische Verhältnisse?

 
Dienstag, 26.Februar

Heute verschlafe ich erst einmal das Frühstück. Schnell merke ich, dass ein besonderer Tag ist, nämlich der 60. Geburtstag von Sister Franziska. Es werden schon am Vormittag die ersten Vorbereitungen für die Feier am Abend getroffen. Mittags kommen alle Angestellten zu einer Tea Party im Hof des Schwesternwohnheims zusammen. Es gibt ein Geburtstagsständchen, so gut es geht singe ich “Happy Birthday” mit, bei allem was auf Marathi folgt bleibt mir nur das Mitklatschen. Ich hoffe sehr, dass ich in ein paar Wochen zumindest ein kleines bisschen sprechen kann. Nach ein paar Reden und dem besagten Tee löst sich alles sehr schnell wieder auf, schließlich muss der Betrieb im Krankenhaus weitergehen. Am Nachmittag  helfe ich mit, den Gemeinschaftsraum für die Feier am Abend zu schmücken. Als die Geburtstagstorte ankommt sind wir ganz überrascht, mit einer Schwarzwälder Kirschtorte hatte ich  hier nicht gerechnet. Als mit Luftballons alles feierlich hergerichtet ist, geht es auch schon bald los. Die ganze Familie von Sister Franziska ist gekommen. Einige, wie zum Beispiel ihr Neffe aus London haben sehr weite Wege auf sich genommen um mit dabei zu sein.

 Die Geburtstagsfeier beginnt mit einer Messe, in der das Engangement der Schwester besonders gewürdigt wird. Der Raum, in dem die Messe stattfindet ist auch farbenfroh geschmückt. Sister Sangita hat zur Feier des Tages ein riesengroßes Rangoli gestreut. Ich habe zwar schon  viele Bilder von “Festschmuck” dieser Art gesehen, aber so groß und glitzernd habe ich es mir nicht vorgestellt. Die Genauigkeit meiner Schätzungen lässt manchmal zu wünschen übrig, aber der das Rangoli hatte bestimmt einen Durchmesser von zweieinhalb Metern. Nach der Messe versammeln sich alle Gäste zum gemeinsamen Essen. Für diesen besonderen Anlass gibt es sogar  Fanta und Sprite. Ich unterhalte mich mit einigen der Gäste und besonders das Gespräch mit dem weitgereisten Neffen aus London ist interessant, weil sich eine ganz neue Perspektive auf Europa ergibt. Nach einer relativ kurzen Zeit wird es  hektisch und die Feier verlagert sich in einen anderen Raum. Als “Program” haben einige Kinder und Schülerinnen der Nursing School Tanz- und Schauspieleinlagen einstudiert und führen diese nun vor. Besonders die Tänze gefallen mir, dabei habe ich als Zuschauerin auch nicht das Gefühl wie beim Schauspiel einen erheblichen Teil der Darbietung nicht zu verstehen. Mit einer kleinen Dankesrede - es ist mittlerweile auch schon zehn Uhr - findet die Geburtstagsfeier ihr Ende.

 
Mittwoch, 27.Februar

Ich nutze den Tag heute vor allem um mich ein wenig zu erholen. Mit der Erkältung möchte ich noch nicht im Krankenhaus anfangen. Trotzdem hat mir heute eine Schwester schon die Station gezeigt, auf der ich als erstes mitarbeiten werde - im "nursery ward".  Ich bin froh, dass ich genug Zeit habe um hier in Ruhe anzukommen. Beim abendlichen Gebet erfahre ich, dass heute der eigentliche Geburtstag von Sister Franziska ist und so werden zahlreiche Geschenke, vor allem Saris, Tücher und praktische Haushaltsgegenstände wie zum Beispiel eine große “Multifunktionstaschenlampe” ausgetauscht. Es gibt den Rest der Geburtstagstorte mit Vanilleeis.


Donnerstag, 28.Februar

Ein ereignisreicher Tag. Mit Lucia und Dorothee bin ich am Vormittag ins Zentrum Shevgaons gelaufen. Vom Krankenhaus bis dorthin ist es nicht weit, in einer Viertelstunde erreicht man den Markt. Shevgaon ist eine sehr kleine Stadt, auf den Straßen herrscht aber buntes Treiben. Heute zum Beispiel mussten wir eine kleine Pause einlegen, da eine Prozession sich ihren weg durch die Straßen bahnte. Voran ein Junge der auf einer sehr großzügig geschmückten Kuh reitend den Anfang bildet. Ihm folgte eine große Gruppe festlich gekleideter Leute und als Abschluss ein Festwagen mit passender Musik. Touristen verschlägt es nach Shevgaon scheinbar nicht bzw. sehr selten. Umso exotischer muss das Bild von gleich drei blonden Mädchen sein. So wird das ein oder andere mal schnell die Handykamera gezückt als wir vorbeikommen.  Wir schauen noch im Internecafe vorbei wo die Schreibmaschinen zu meiner Überraschung zahlenmäßig die Computer überragen. Um eine Wassermelone und ein Tuch was sich später bedingt als Fehlkauf heraus stellt reicher machen wir uns auf den Rückweg. Beim Mittagessen muss eine Schwester schmunzeln als ich ihr meinen Einkauf zeige. Sie erklärt mir, dass solche Tücher normalerweise zur Hochzeitskleidung des Bräutigams gehören. Das Tuch ist  violett und der Rand mit goldenen Fäden verziert. Ich trage es trotzdem und werde wieder Erwarten nicht mehr darauf angesprochen.

 Am Nachmittag sind wir mit Sister Franziska in verschiedene Dörfer  gefahren, die am “Watershed Program” teilhaben. Im Verlauf des Blogs ist dieses Thema sicherlich schon aufgetaucht, dennoch möchte ich der Vollständigkeit halber kurz erzählen, wobei es sich bei diesem Projekt handelt. In der Region Maharasthras, in der einige Dörfer an diesem Projekt beteiligt sind ist es so trocken, dass das Bewirtschaften der Felder äußerst mühsam ist und die Erträge trotz großer Anstrengungen gering bleiben. Mit einer besonderen Technik soll der Grundwasserspiegel an besonderen Stellen etwas angehoben werden, sodass auch in Zeiten ohne ausreichend Regen die Ernten nicht ausbleiben. Durch das Aufstellen von speziellen Steinmauern soll die Winderosion eingedämmt werden, ,mit einem Auffangsystem für Regenwasser wird in der Monsunzeit das kostbare Wasser gesammelt. Vor allem fördert dieses Projekt aber auch die Kommunikation der Dorfbewohner untereinander.

 Auf der Autofahrt, welche schon ein Erlebnis für sich war, erzählt Sister Franziska  uns viel über die landwirtschaftliche Situation in in dieser Gegend, das Projekt und welche Ergebnisse schon erzielt wurden. Kurz vor der Ankunft im ersten Dorf macht sie uns immer wieder auf die grünen Felder aufmerksam, die aus der kargen Umgebung hervorstechen. Wir kommen im ersten Dorf an und weil es draußen zu warm ist, versammeln wir uns im Tempel. Sister Franziska betreut das Projekt in dieser Region und fährt in regelmäßigen Abständen in die Dörfer um mit den Leuten zu sprechen. Heute ist also so ein Tag. Bei den “Meetings” wird von der aktuellen Situation berichtet und besprochen ,was eventuell ansteht. Die Frauen übernehmen hierbei eine entscheidende Rolle. Üblicherweise trifft der Ehemann die Entscheidung, sollte zum Beispiel etwas für den Haushalt oder auch Saatgut gekauft werden. Um den Frauen, die einen erheblichen Anteil der Arbeit leisten neue Handlungsmöglichkeiten zu geben, wird zum Beispiel erklärt, wie man ein Bankkonto führt und auch durch Zurücklegen von wenig Geld schon Sicherheiten schaffen kann, besonders wenn man sich als Gemeinschaft zusammentut. Mittlerweile gibt es also  eine Art Fonds, der jedem, der sich beteiligt zur Verfügung steht, sollte dringend eine Anschaffung nötig sein die alleine nicht finanziert werden kann. Sollte medizinische Hilfe notwendig sein, stellen so die dadurch entstehenden Kosten  zumindest einen geringeren Grund zur Sorge da als vorher. Bei dem Treffen dürfen wir dabei sein und haben sogar die Möglichkeit, uns mit Sister Franziska als Übersetzerin mit den Frauen zu unterhalten. Nach einem Tee und einem Besuch  des Dorfladens machen wir uns auf den Weg zum Wassersammelbecken. Zu dieser Jahreszeit liegt dieses vollkommen trocken, aber die Kapazitäten lassen sich erahnen. Wir erkunden den  angrenzenden “Obstgarten” mit Granatapfelsträuchern, Baumwollpflanzen und Mangobäumen. Von den Orangenbäumen können wir einige Früchte pflücken und probieren. Köstlich!

Auf dem Rückweg halten wir bei einem Tempel und besichtigen diesen. Auch hier ist Sister Franziska keine Unbekannte. Im Auto ist noch Platz, wir rutschen zusammen und nehmen spontan noch  zwei Bekannte mit.

Am Ende des Tages gefällt mir der Gedanke, dass ich jetzt vielleicht schon ein kleines bisschen mehr weiß, wie viele von den Menschen, denen ich im Krankenhaus begegnen werde, leben.

 

Freitag,1.- Sonntag,3. März

Mit Lucia und Dorothee habe ich am Wochenende einen Ausflug nach Aurangabad,  gemacht. Aurangabad ist ca. 90 Kilometer von Shevgaon entfernt. Trotzdem ist man ungefähr zwei Stunden unterwegs, je nach “Straßenlage. Von dort aus haben wir die Ellora- und Ajanta  Höhlen besucht. Die Landschaftliche Umgebung gestaltet sich wie folgt: völlig flaches, sehr trockenes Land, zum großen Teil bewirtschaftet, trockengefallene Flussbetten, hier und da kleine Seen. Rund um Aurangabad erheben sich große Tafelberge.  Die Buddhistischen und zum großen Teil auch hinduistischen Höhlentempel wurden aus den Felswänden herausgemeißelt.  Sie sind reich mit Skulpturen, die Ajanta Höhlen auch mit Gemälden verziert. Mit Taschenlampen erkunden die Besucher die Höhlen. Wenn man auf die Details achtet, entdeckt man immer wieder kleine Überraschungen. Wir besuchen auch noch das Daulatabad Fort, eine Festung auf einem freistehenden Felsen, die architektonisch betrachtet als uneinnehmbar galt, jedoch schnell wegen mangelnder Wasserversorgung aufgegeben werden musste. Auch eine Miniaturversion des Taj Mahal stand auf dem Programm.


Montag, 4.- Mittwoch, 6.März

Ich bin wieder fit und kann  mit meiner Arbeit im Krankenhaus beginnen. Ich beginne mein Praktikum im "Nursery ward", der Station für Frühgeborene und kranke Neugeborene. Schwester Myra ist meine Ansprechpartnerin auf dieser Station und ich bin ihr für die vielen Erklärungen und die Geduld ,die sie mir entgegenbringt sehr dankbar. Sie spricht sehr gut Englisch und so können wir uns gut unterhalten. Am Anfang beobachte ich viel und versuche, das "System" auf der Station zu verstehen. Mittlerweile erledige ich kleine Aufgaben wie Botengänge zum Labor oder ins Büro und helfe morgens beim Bettenmachen. Ich schaue bei den Untersuchungen der Kinder zu und helfe bei der "Showertime", beim Baden  mit. Ich hoffe, dass ich mich gut einfügen kann und bin gespannt auf die nächste Zeit.

Mit Glory, einer angehenden Schwester aus Bangalore ( dort spricht man vorwiegend Tamil), lerne ich Marathi. Wir hatten schon eine "Unterrichtsstunde" mit Sister Velankani und ich hoffe, dass ich bald schon etwas mehr sagen kann als "Danke" und "Guten Tag".


Bis bald!

Rieke

                                                                                                           

 

Kommentare

Beliebte Posts