Hallo liebe Blog-LeserInnen,
ich bin jetzt nun seit fast einer Woche hier in Shevgaon und es hat sich nun genug angesammelt um  meinen ersten Blog-Eintrag  zu schreiben. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht wo ich eigentlich anfangen soll J Ich wurde bereits in dieser kurzen Zeit von so vielen Eindrücken „überrollt“, dass ich erst selber ein paar Tage gebraucht habe um das alles zu verarbeiten.  Seit gestern kann ich sagen: „Ich bin jetzt endlich angekommen“. Physisch ist das ja schon seit einer Woche der Fall, aber geistig hat es etwas länger gedauert.

Für diejenigen unter euch, die noch nie in Indien waren bzw. vielleicht schon mal hier waren, aber noch nie in einer ländlichen Gegend, werde ich versuchen kurz meine ersten Eindrücke und Emotionen über das Leben und die Kultur(en) niederzuschreiben. Vielleicht fange ich am besten bei der Autofahrt vom Flughafen zum Krankenhaus an.
– Jeder der schon mal hier war wird jetzt mit Sicherheit schmunzeln –

Ja,… der Verkehr in Indien… wie soll ich sagen, er ist etwas gewöhnungsbedürftig. Es ist wahnsinnig viel los und sogar die Inder selber hört man ständig sagen „Oh so much traffic today“!
Das Lustige ist, das eigentlich Alles und Jeder am Straßenverkehr teilnimmt. Ob Mensch, Tier oder etwas Fahrbares… egal! Hauptsache man kommt irgendwie von A nach B. Es ist sehr laut, alle Menschen laufen kreuz und quer über die Straße, man drängelt, überholt, hupt was das Zeug hält und aus einer Spur werden immer drei. Wenn dann noch plötzlich eine Kuh quer auf der Fahrbahn steht, bleibt einem nichts anderes übrig als den Wagen irgendwie drum herum zu manövrieren. In diesem Fall hilft dann nur noch beten J Verkehrsunfälle sind hier auch keine Seltenheit. Vor allem nachts muss man sehr aufpassen. Man hat nämlich den Eindruck, dass die Inder nicht so ganz wissen wozu ein Abblendlicht oder ein Fernlicht da sind. Die schalten sogar das Fernlicht an wenn man gerade auf sie zufährt. Man wird sehr geblendet und muss eigentlich fast stehenbleiben wenn man an einem Auto auf der Gegenspur vorbeikommt. Dementsprechend braucht man auch länger. Erst gestern Abend haben wir innerhalb von 15 min zwei Verkehrsunfälle gesehen, an denen eine Auto und ein Motorrad beteiligt waren.

Zu den visuellen Eindrücken kommen dann auch noch die olfaktorischen dazu. Wer also eine empfindliche Nase hat wird erstmal zu kämpfen haben.  Da die Straßen nicht oder nur teilweise geteert sind wird der Staub durch den Verkehr aufgewirbelt, hinzu kommt der extrem konzentrierte Gestand nach Abgasen, verbrannter Kohle und Plastik. Und dann stellt man sich am besten diese Mischung bei Temperaturen von 35 Grad im Schatten vor.  Ja, es ist zu Beginn nicht ganz angenehm und ich muss sagen, dass es mir in den ersten Tagen starke Kopfschmerzen bereitet hat. Man gewöhnt sich jedoch schnell daran.  

Wenn man jetzt mal vom Straßenverkehr an sich absieht und nach links und rechts an den Straßenrand schaut hat man als Europäer mit diversen Emotionen zu kämpfen. Anfangs beobachtet man neugierig und erstaunt das bunten Treiben, wenn man jedoch genauer hinsieht überkommt einen das Gefühl von Schock, Trauer, Mitgefühl und vielleicht sogar etwas Wut. Wut über das System, dass daran schuld ist in welchen Umständen die Menschen hier leben müssen. Die „Häuser“ sind stark heruntergekommen, die Straßen voller Müll und teilweise gibt es keine fließend Wasser oder Strom. Wenn man dann noch die süßen Zwerge in ihren bunten glitzernden Saris im Dreck spielen sieht, möchte man die Welt verändern. Man sieht plötzlich einen absoluten Kontrast zur der Welt in der man selber lebt. An dieser Stelle möchte ich auch nicht mehr dazu sagen, da man viel mehr über die Kultur und das Land wissen muss als das was man mit dem bloßen Auge sieht. Klar ist, dass hier irgendetwas schief läuft wenn man in der heutigen Zeit nicht mal ein richtiges Dach über den Kopf hat und sein Leben ohne Strom meistern muss. Das hat nichts mit der Kultur zu tun. Diesen  Aspekt kann man sicherlich objektiv diskutieren. Alles andere muss man selbst miterlebt haben. Wobei das alles viel komplizierter ist als man denkt. Man kann auch nicht nur über eine Kultur sprechen. Genaugenommen sind es mehrere Kulturen, Religionen, Weltanschauungen die, die Menschen hier zelebrieren und ausleben. Ich belasse es bei einer wertfreien Beschreibung und überlasse die Meinungsbildung meinen Lesern. Ich kenne einige Inder, die schon mehrmals in Deutschland waren bzw. einige Jahre bei uns gelebt haben und keiner davon möchte bei uns bleiben.

Dieses Land birgt auch sehr viele schöne Dinge um die ich sie auf jeden Fall beneide. In erster Linie, die wunderschönen Saris J Es ist ein absoluter Traum zum Sari-Shoppen zu gehen. Man ist umgeben von deckenhohen Regalen voller ausgefallener Stoffe in allen Farben, die man sich nur vorstellen kann. Es glitzert und funkelt aus jeder Ecke und ein Stoff ist schöner als der andere. Beim Betreten des Geschäftes muss man die Schuhe ausziehen und läuft dann auf einem mit dünnen und weichen Materatzen ausgelegtem Boden. Dann nimmt man gemütlich im Schneidersitz Platz und lässt sich die Prachtstücke präsentieren. In dieser Situation ist es schon empfehlenswert eine einheimische Dame dabei zu haben, die einem dann erklärt, dass es auch bei Saris ein System gibt und hier auch zwischen festlich und casual, oder wie sagen die Inder so schön „all day use“, unterschieden wird.
 Man sucht sich einen Stoff aus und dann wird Maß genommen. Denn so ein Sari kommt nicht von der Stange,… nein… der wird extra genäht! Der Traum einer jeden Frau J
Wie diese dann live aussehen, zeige ich euch dann bei Gelegenheit. Ich bin mir jedefalls  sicher, dass zu meinen 2 Saris noch welche dazukommen werden.   

Als nächstes haben die Inder eine tolle Landschaft. Überall stehen Palmen und wachsen bunte Blumenstöcke. Einfach herrlich. Erst gestern habe ich auf der Autofahrt Reisfelder, Mangobäume, Bananenbäumchen und Plantagen mit Zuckerrohr gesehen. Ahja, da waren noch Baumwollpflanzen… die sehen echt lustig aus. Wie so kleine Büsche an denen Wattebäusche dranhängen.
… und das indische Essen erst J
aber diese Erfahrungen schildere ich euch beim nächsten Mal.

Vielleicht noch paar Worte zum Krankenhaus-Kloster-Komplex selbst, damit ihr wisst wie es hier so aussieht.
Wie einige von euch ja bereits wissen, ist dieses Krankenhaus an ein Kloster angeschlossen und  dieses ist  auch für die nächsten zwei Monate mein Zuhause. Ich habe hier ein schönes und sauberes Zimmer mit eigenem Bad und  mit allen Möbeln die man so braucht. Das Kloster an sich ist mittelgroß, besitzt einige Aufenthaltsräume, eine Küche, eine Kapelle und die Schlafzimmer der Klosterschwestern.  Das Interessante an der Architektur ist, dass es eigentlich keine geschlossenen Gänge gibt. Es gibt einen Innenhof mit wunderschönen Blumen und drum herum erstreckt sich das Gebäude des Klosters. Die Rundgänge sind um diesen Hof angeordnet und im 1. Stock läuft man quasi wie auf einer Galerie. Vielleicht kann man dies auf den Fotos erkennen.
Wenn man das Klostergebäude verlässt, findet man das Krankenhaus, eine Schwesternschule (in der die Schülerinnen auch untergebracht sind)  und eine Übernachtungsmöglichkeit für die Ärzte, die Bereitschaftsdienst haben. Das Gelände an sich ist bepflanzt mit Palmen und diversen exotischen Blumen. Es gibt sogar einen kleinen Gemüsegarten indem die Schwester Chili, Knoblauch etc. selbst anbauen.
Hier sieht man den Innenhof des Klosters mit seinen exotischen Pflanzen
und auch die offenen Gaenge, die ich bereits beschrieben habe.

 
Mein Zimmer (links in der Ecke befindet sich das Bad)

Das Krankenhaus an sich bietet momentan die Möglichkeit 115 Patienten stationär aufzunehmen. Generell gibt es hier 4 Stationen, wobei  diese nicht unbedingt nach Fachbereichen aufgeteilt sind, sondern nach Geschlechtern (female ward / male ward). Bei den female wards wird nochmal unterteilt in surgical ward (Chirurgische Station) und delivery ward (Entbindungsstation). Auf der male ward liegen sowohl postoperative Patienten als auch Patienten mit abdominellen Beschwerden,  Infektionen, aber auch Vergiftungen und Schlangenbisse. Man muss dazu sagen, dass diese Krankheitsbilder hier auch den größten Teil der Patienten betreffen.  Für Patienten die etwas mehr Geld haben besteht die Möglichkeit auf einer private ward (Privatstation) untergebracht zu werden. Diese Station ist jedoch optional und ist nicht automatisch an eine Kaste oder an den finanziellen Status des Patienten gekoppelt. Wodurch hier nicht das Gefühl einer 2-Klassen-Medizin entsteht. Der  Patient entscheidet sich gezielt dafür.
 Desweiteren besitzt das Krankenhaus eine sehr gut ausgestattete ICU (Intensive Care Unit) mit 4 Betten, eine Notaufnahme,  einen speziellen Raum für die Neonatalogie (Frühgeburtstation),  einen Entbindungsraum, eine Ambulanz mit mehreren Fachabteilungen (v.a. Gynäkologie, Kardiologie, Chirurgie), zwei Apotheken, ein  Labor, einen Raum für bildgebende Verfahren wie z.B. Röntgen, zwei OP-Räume und natürlich eine Anmeldung und Verwaltungsräume.

Innenhof des Krankenhauses indem die Patienten mit ihren Angehoerigen sitzen.

Das Wartezimmer und Anmeldung der Ambulanz.

Eine der zwei Apotheken. Hier  her kommen die Patienten
aus der Ambulanz mit ihrem Rezept.

Auf diesem Foto sieht man das aktuelle Labor und einen Teil des Teams.

Abteilung Physiotherapie

Entbindungssaal

Das ist das neue digitale Roentgengeraet.
 

Ich würde gerne etwas mehr über den Alltag im Krankenhaus erzählen, leider war ich bis jetzt nur einen Tag auf Station, da ich mich selbst erkältet habe und mich erstmal auskurieren musste bevor ich mein Immunsystem weiter diversen Infektionskrankheiten aussetze. Deshalb werde ich diesen Teil für meinen nächsten Blog-Eintrag aufheben.

Wie ich sehe, habe ich es tatsächlich geschafft so viel zu schreiben J Ich hätte eigentlich noch so viel zu erzählen…beim nächsten Mal dann J

Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Sonntag!

Namaste,
eure Iweta


Kommentare

Beliebte Posts