Dies und Das aus Woche 2

Einen wunderschönen guten Abend aus Shevgaon,


ich bin nun schon seit fast zwei Wochen hier und wollte euch ein bisschen schreiben, wie es mir geht und was ich an den Tagen so mache:


Erstmal muss ich sagen, dass es mir hier ausgesprochen gut geht. Das Zusammenwohnen mit den Nonnen ist sehr angenehm und ich fühle mich wirklich schon ein bisschen wie zu Hause. Am Anfang war das indische Englisch für mich ja sehr schwer zu verstehen, aber es wird mit jedem Tag besser und ich denke wirklich, dass ich in zwei Monaten vielleicht sogar Expertin bin. Außerdem weiß ich inzwischen auch, welche Sachen ich gut essen kann und welche ich lieber meide, da sie einfach zu scharf für mich sind. Auch die Kleidungsfrage klärt sich mehr und mehr. Inzwischen habe ich ein paar Sachen, in denen ich mich wohl fühle und denke, dass da in den nächsten Wochen noch das ein oder andere Stück dazukommen wird. Wenn ich erstmal allein in die trubligen Gassen von Shevgaon aufbreche, dann passiert das ohne Frage. Aber in den nächsten Tagen verlasse ich das Kloster-Krankenhausgelände zunächst weiter nur mit Nonnen-Begleitung, weil man dann erstens einfach ein bisschen über Dies und Das reden kann und sich außerdem nicht verläuft oder mit dem Verkehr überfordert ist. Eine weitere Sache, die immer besser klappt, ist das Duschen. Ich habe hier zwar nur kaltes Wasser zur Verfügung, aber, wenn man nicht zu spät abends duscht, ist das Wasser nicht zu kalt und nach einem, doch relativ warmen, indischen Tag sehr erfrischend.


Auch im Kreißsaal läuft alles gut. Am Anfang erschien mir die Geburtshilfe hier sehr anders, und natürlich ist sie das auch irgendwie, aber seit einigen Tagen hat sich das ein bisschen gelegt. Ich bin eher erstaunt, wie viele Gemeinsamkeiten es doch gibt. Immerhin werden die Hebammen hier mit britischen Lehrbüchern ausgebildet. Und die britische Geburtshilfe unterscheidet sich in der Theorie wirklich quasi gar nicht von der deutschen. Auf jeden Fall habe ich gestern auch dem ersten, indischen Baby ganz allein auf die Welt geholfen und war danach sehr stolz. 

vorzügliches Resultat meiner ersten, indischen Geburt
Trotzdem halte ich mich aber noch weiterhin ein bisschen zurück, weil ich auch sehr gern beobachte und die indische Praxis kennenlerne. Ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht, ich würde in einer Form alles anders und besser machen (in meinen Gedanken). Die Schwestern, Hebammen und Ärzte haben einfach nur sehr wenig zur Verfügung und manche Sachen müssen einfach so gemacht werden, wie sie gemacht werden. Und ich kann wirklich sagen, dass sie meiner Meinung nach das Beste daraus machen. Die Kommunikation mit meinen Kolleginnen ist manchmal ein bisschen kompliziert, weil sie nur sehr wenig Englisch sprechen und ich im Gegensatz dazu nur fünf Worte Marathi beherrsche. Das ist manchmal sehr lustig, klappt aber gut und immer besser. Ich staune, wie ähnlich wir uns sind, obwohl wir doch aus sozusagen unterschiedlichen Welten stammen. Dinge wie Hamburger oder H&M haben die meisten von ihnen weder gehört noch gesehen. Aber es gibt oft Situationen, in denen wir gemeinsam über irgendetwas lachen und dann kann ich schon wieder gar nicht glauben, dass ich gerade in Indien bin, weil sich alles so normal und vertraur anfühlt.
Für mich ist die Zeit hier jedenfalls eine ganz große Chance viele Sachen und Dinge zu sehen, die in Deutschland sehr selten sind oder nicht in der Verantwortung der Hebamme liegen. Zum Beispiel bestimmte Krankheitsbilder, die Nahtversorgung von auftretenden Geburtsverletzungen, das Legen von intravenösen Zugängen oder das Assistieren bei einem Kaiserschnitt. Darum möchte ich die verbleibenden, nächsten 10 Wochen hier unbedingt nutzen, um das zu Lernen. In Deutschland kann ich davon als praktizierende Hebamme nur profitieren.

Students und ich
Meine Arbeitszeiten sind Montag-Samstag von 7.30 Uhr bis 12.30 Uhr und dann noch einmal von 16.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten und hängt davon ab, wie viel man sehen und arbeiten möchte. Ich schreibe nebenbei an einer Art Vorversion meiner Bachelorarbeit, muss dafür ein paar Daten erheben und notieren und darum manchmal nachmittags am Computer arbeiten. Das ist aber kein Problem, weil ich dann einfach nur der betreuenden Sister bescheid geben muss, damit sich niemand Sorgen macht, wo ich bin.


Ich kann wirklich nur sagen, dass ich zur Zeit alles sehr schön finde und gespannt bin, was die nächsten Tage und Wochen bringen. Zur Zeit verbringe ich den größten Teil des Tages im Kreißsaal, in meinem Zimmer oder beim gemeinsamen Essen mit den Nonnen. Aber umso mehr Zeit vergeht und desto besser ich mich zurecht finde, desto mehr werde ich auch die indische Welt außerhalb des Geländes hier entdecken und ich bin mir fast sicher, dass sie mich umhauen wird.

Morgen begleite ich Sister Anne erstmal zum Markt und habe dann am Nachmittag eine Einladung in das "Girls-Hostel" bekommen. Auf dem Gelände hier ist nämlich auch eine Art Internat, in dem junge Frauen zu Krankenschwestern ausgebildet werden. Darum ist auf den Gängen auch immer sehr viel los, unzählige aufgeregte Mädchen schauen mich freudestrahlend an und wollen alles von mir wissen, was es nur zu wissen gibt. Das ist wirklich jedes mal schön und ich muss meine Antworten gerecht verteilen, damit niemand traurig wird. Außerdem gibt es in den nächsten Wochen sehr viele Namen für mich zu lernen....gar nicht so einfach, weil da eben auch noch Uniformen sind und die Namen natürlich meistens indische sind. Aber ich bin mir sicher, dass das klappt und ich irgendwann alle schon aus der Ferne begrüßen kann.


Namaste,

Sophie





Indian Sweets I



Indian Sweets II



Sister Mary im Klosterinnenhof



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